Der Architekt Adolf Schneck

Biographie (1883–1971)

Im ersten Teil seiner Biographie geht es um die frühen Lebensjahre, Ausbildung, Studium und erste berufliche Erfolge als Architekt und Möbelbauer.

Die nachfolgenden Stationen seines Lebens behandeln die Jahre:

Geburt

7. Juni 1883

geboren in Esslingen am Neckar als Sohn eines Sattler- und Tapeziermeisters

Ausbildung

1897–1907

Lehre als Sattler und Polsterer im elterlichen Betrieb mit Gesellenprüfung (1897–1900). Bis 1907 Gesellenzeit in verschiedenen Betrieben und Besuch der Gewerbeschule Basel. Meisterprüfung als Tapezier und Dekorateur.

Arbeitsleben, Studium und Heirat

1907–1915

Übernahme des elterlichen Betriebes und gleichzeitig erste eigene Entwürfe, parallel dazu Studium an der Kunstgewerbeschule Stuttgart bei dem Maler, Graphiker, Architekten und Designer Bernhard Pankok (1872–1943).  Im März 1915 Heirat mit Johanna Tölken.

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Schneck schafft den sozialen Aufstieg vom Handwerker zum Akademiker.

Bei Pankok lernt er die Bedeutung des Zusammenhangs von Entwurf und Ausführung. Geprägt wird er auch von der Reformidee der Einheit von Kunst und Handwerk. Schneck steht damit für den Typus des „schwäbischen Tüftlers“, der sich vom künstlerischen Entwurf nicht verleiten lässt, sondern immer von der Konstruktion und vom Zweck her denkt.

Schneck selbst macht Innenausstattungen für mehrere renommierte schwäbische Unternehmer. Wegen der Leitung des elterlichen Betriebs wird er vom Kriegsdienst freigestellt. Er gilt als „tüchtiger Sportler“ und Naturfreund, der sich stark mit der Forderung des Neuen Bauens nach „Licht, Luft, Öffnung“ identifiziert. Auch den Idealen der Wandervogel-Bewegung und der Lebensreformer steht er nahe. Er ist Mitglied im Turnerbund und im Alpenverein.

Im März 1915 Heirat mit Johanna Tölken (geb. 1886), einer Kaufmannstochter aus Bremen, die vor dem Ersten Weltkrieg in Schweden „Moderne Frauengymnastik“ studiert hatte. 1916 kommt der Sohn Rudolf zur Welt, der 1940 als Soldat stirbt. Im März 1918 wird Tochter Ursula geboren, im September 1920 die zweite Tochter Dorle Marie, die später Architektur studiert. Die dritte Tochter Suse wird 1927 geboren, stirbt aber im Alter von nur einem Jahr Ende 1928 an einer Infektion.

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Studium an der Technischen Hochschule Stuttgart

1915–1918

Studium an der Technischen Hochschule Stuttgart. Bei Paul Bonatz (1877–1945) fertigt Schneck eine Abschlussarbeit über den Bau des Stuttgarter Hauptbahnhofs an, darf aber kein Diplom machen, weil er kein Abitur hat. In der Folge arbeitet er als Zeichenlehrer an Oberschulen, u. a. in Geislingen/Steige.

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Freier Architekt, erste Entwürfe

1919–1921

In enger Kooperation mit Paul Bonatz und Hugo Keuerleber (1883–1949) versucht Schneck, als freier Architekt in Stuttgart Fuß zu fassen. Er arbeitet weiterhin als Innenausstatter, kann aber 1921 mit dem „Haus Klett“ sein erstes Bauvorhaben planen und durchführen. Mit Rücksicht auf die Repräsentationsvorstellungen der Auftraggeber bedient Schneck eine traditionelle Formensprache, beteiligt sich aber bereits an avantgardistischen Projekten wie dem Wettbewerb für Siedlungsbauten in Weilimdorf (1919).

Mit seinen Entwürfen für Möbel und Wohnungseinrichtungen gewinnt Schneck mehrere Preise. In Zusammenarbeit mit der Firma Schildknecht in Stuttgart entwickelt er eine ganz Reihe von Typenmöbeln, die durch industrielle Herstellung preisgünstig angeboten werden können. Seine Maxime ist die Erschwinglichkeit von qualitativ guten Möbeln für alle Bevölkerungsschichten.

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Kunsthochschule Stuttgart und Ausstellung "Die Form"

1921–1925

Schneck wird Lehrbeauftragter für Möbelbau und Innenarchitektur an der Kunstgewerbeschule Stuttgart und Assistent von Bernhard Pankok. 1922 wird er Leiter der Abteilung für Möbelbau. 1923 wird er zum Professor ernannt. Schneck ist darüber hinaus eines der aktivsten Mitglieder der Württembergischen Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Werkbundes.

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Er beteiligt sich engagiert an den Diskussionen um die Verbesserung der handwerklichen Produktion und um die Qualitätssteigerung industrieller Möbelfertigung.

1924 ist Schneck zusammen mit Gustav Stotz, dem Werkbund-Geschäftsführer in Württemberg, für die aufsehenerregende Ausstellung „Die Form“ in Stuttgart verantwortlich. Es ist die erste Ausstellung in Deutschland, bei der die Idee der industriellen Formgebung Ausdruck findet. Sie strahlt mit ihrem Konzept des „Industrial Design“ europaweit aus. Im Kontext des Deutschen Werkbundes lernt Schneck den Kunsthistoriker Hans Hildebrandt (1878–1957) und den Architekten Richard Döcker (1894–1968) kennen. Beide sind konsequente Verfechter des Neuen Bauens.

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Lehrstuhl für Innenarchitektur und Möbelbau. Der Wettbewerb "Tagblattturm"

1925–1926

Schneck lehnt mehrere Berufungen an Hochschulen und Kunstgewerbeschulen in Deutschland ab (z. B. Stettin, Dresden, Köln, Hannover, Pforzheim, Berlin). Stattdessen wird er an der Stuttgarter Kunstgewerbeschule zum „ordentlichen Professor in wichtiger Stellung“ ernannt und übernimmt den Lehrstuhl für Innenarchitektur und Möbelbau.

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Die Kunstgewerbeschule gilt mit ihren neun Fachabteilungen, 21 Werkstätten und rund 500 Schülern pro Semester als eine der größten Ausbildungsstätten dieser Art in Europa.

Schneck gestaltet zusammen mit der Designtheoretikerin Mia Seeger (1903–1991) die deutsche Abteilung der „Internationalen Kunstgewerbeausstellung“ in Monza (1925). Seine Möbel werden aufgrund ihrer formalen Schlichtheit als fertigungstechnische Innovation gewertet. Sie sind zum großen Teil vorgefertigt und deshalb auf einfache Weise zu montieren. Eine avantgardistische Provokation à la Ludwig Mies van der Rohe (1868–1969) oder Le Corbusier (1887–1965) stellen sie nicht dar, aber sie werden vom Publikum akzeptiert und wegen ihres günstigen Preises in hohen Stückzahlen verkauft.

Die Neue Sachlichkeit hat sich als Bewegung und Programm bereits etabliert. Schneck nimmt an mehreren prestigeträchtigen Architekturwettbewerben teil und bringt hier mit voller Konsequenz die Prinzipien des Neuen Bauens zum Tragen. Diese Phase markiert einen zentralen Entwicklungsschub bei Schneck, mit dem er sich aber gegenüber der traditionalistischen, konservativen „Stuttgarter Schule“ um Paul Schmitthenner (1884–1972), Paul Bonatz, Wilhelm Tiedje (1898–1987), Hugo Keuerleber und Heinz Wetzel (1882–1945) isoliert.

1926 nimmt Schneck am Wettbewerb für das Verwaltungsgebäude des „Neuen Stuttgarter Tagblatts“ teil, von dem sich die Stadt Stuttgart einen modernen städtebaulichen Akzent verspricht. In seinem Modell arbeitet Schneck die volle Syntax des Neuen Bauens aus: mit einfachen kubischen, verputzten Baukörpern in gegenseitiger Durchdringung sowie zu gleichförmigen Bändern gereihten Fenstern in liegendem Format und mit waagrechter Zweiteilung. Schneck stellt seinen Entwurf 1927 bei der Plan- und Modellausstellung des Werkbundes vor. Den Wettbewerb gewinnt allerdings der Architekt Ernst Otto Oßwald (1880–1960), der damit das erste Hochhaus in Stuttgart und das erste Stahlbetonhochhaus in Deutschland realisieren kann.

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Weißenhofsiedlung

1927

Schneck ist neben Richard Döcker der einzige ortsansässige Architekt, der seit 1925 am Stuttgarter Projekt der Weißenhofsiedlung beteiligt ist. Die Werkbundausstellung „Die Wohnung“ am Stuttgarter Weißenhof wird zu seiner großen Chance als Architekt, nachdem andere Kollegen wie Bonatz oder Schmitthenner auf Distanz zu dem Vorhaben gegangen waren. Schneck stößt zwar vereinzelt auf Kritik, weil er „nur“ als Innenarchitekt gilt, aber er nimmt mit zwei Musterhäusern an der Ausstellung teil.

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Das Haus 11 in der Friedrich-Ebert-Straße 114, ein Einfamilienhaus mit acht Zimmern und 152 qm Wohnfläche, bewohnt er bis 1939 selbst, bis die NS-Stadtverwaltung das Viertel räumen lässt. Haus 12, ein Einfamilienhaus mit 6 Zimmern und 120 qm Wohnfläche, steht im Bruckmannweg 1. Beide Häuser haben nur eine tragende Mittelwand und können so flexibel gestaltet werden. Charakteristisch für beide Häuser sind auch die großen Sonnenterrassen.

Schneck ist bei der Weißenhofsiedlung mehr als nur ein mitbauender Teilnehmer. Er ist maßgeblicher Organisator und Ideengeber, der darüber hinaus auch über beste Beziehungen zur Verwaltung von Stadt und Land verfügt. Selbst für konservative Kritiker erweist sich Schneck als bodenständiger und pragmatischer Reformer, der vor allem dem Ideal der ökonomischen Funktionalität folgt.

Das seit 1923 geplante Vorhaben der Stadt Stuttgart, eine an das Weißenhofareal angrenzende Beamtensiedlung mit einer einheitlichen Typbebauung zu bauen, wird 1927 aufgegeben. Schneck hatte 1926 den Auftrag dazu erhalten. Er wäre damit zum quantitativ dominierenden Architekten des Weißenhof geworden. 1928 kann er aber noch zwei Wohngebäude im unmittelbaren Umfeld der Weißenhofsiedlung bauen (Am Weißenhof 2 und 8).

Schneck gilt nun als international anerkannter Architekt der Neuen Sachlichkeit. Er praktiziert das Ethos des Weglassens und Vereinfachens. Er steht für eine durchgreifende Reform der Architektur und für die wechselseitigen Bezüge von Wohnform und Innenausstattung. Seine beiden Häuser in der Weißenhofsiedlung sind zwei schlichte weiße Kuben in Massivbauweise, die als funktional taugliche und wirtschaftlich optimierte Typenhäuser für eine serielle Produktion konzipiert sind. Schnecks Grundsätze sind Standardisierung, Typisierung und unbedingte Funktionalität. Auf dem Gebiet der Konstruktion ist er vorsichtig und geradezu risikoscheu – er bleibt dem Ethos der handwerklichen Solidität verhaftet. Seine Entwürfe sind nicht spektakulär, aber sie sind entwicklungsfähige Bautypen, die die praktische Anwendbarkeit der Prinzipien des Neuen Bauens demonstrieren: Flachdach, horizontale Fensterformate, weiß verputzte Wandflächen, kubische Baukörper – und als belebende Elemente die filigranen Stahlkonstruktionen des Luftbades. Letzteres ist der auffälligste Ausdruck einer neuen Wohnform und eines veränderten Lebensgefühls. Schnecks Häuser bilden den soliden und konsensfähigen Hintergrund zu den provozierenden Avantgardeprojekten von Mies van der Rohe oder Le Corbusier.

Schneck stattet in der Weißenhofsiedlung seine eigenen Häuser, aber auch eine Wohnung im Haus von Mies van der Rohe aus. Durchaus zeittypisch ist Schnecks Weg vom Kunstgewerbe zur Architektur, vor allem im Kontext des Deutschen Werkbundes. Schneck denkt ganzheitlich: „Architektur und Innenarchitektur ist ein und dasselbe. Das Äußere des Hauses ist nicht zu trennen von Inneren des Hauses“, formuliert er 1927 anlässlich der Eröffnung der Werkbund-Ausstellung „Die Wohnung“. Grundlage der Innenausstattungen von Schneck sind seine Typenmöbelprogramme „Die billige Wohnung“ und die „Schneck-Wohnung“, die er mit großem Erfolg mit den Deutschen Werkstätten in Hellerau realisiert. Mit dem mittelständischen Unternehmen in Dresden, das im Zuge der Reformbewegung seit der Jahrhundertwende zu den bedeutendsten Herstellern von Möbeln nach Entwürfen prominenter Künstler gehört, kooperiert Schneck bereits seit 1923. Der Anspruch ist die technisch perfekte Gestaltung von Massenware. Beliebt ist das Möbelprogramm vor allem bei der jungen Generation. Parallel zur Weißenhofsiedlung ist Schneck auch führend an der Plan- und Modellausstellung „Internationale Neue Baukunst“ in Stuttgart und an weiteren großen Architekturwettbewerben beteiligt.



Titelblatt „Die billige Wohnung“. Adolf Schneck entwarf 1926/27 für Karl Schmidt-Hellerau das Typenmöbelprogramm „Die billige Wohnung“, das mit großem Erfolg bis in die 1930er-Jahre in den Deutschen Werkstätten Hellerau produziert wurde.

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Autor: Prof. Dr. Reinhold Weber, LpB / Aufbereitung für das Netz: Internetredaktion der LpB

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