Goldsteins Deportation und Ermordung

Teil vier seiner Biographie (1877–1943)

Der vierte Teil der Biographie befasst sich mit Goldsteins Dienst am Menschen bis zu seiner Deportation und Ermordung.

Die folgenden Stationen seines Lebens behandeln die Themen:

Dienst am Mitmenschen bis zum bitteren Ende

Ab 1933 engagierte sich Goldstein mit aller Kraft für die zunehmend verfolgte jüdische Gemeinschaft. Er leitete die Wiesbadener Ortsgruppe des Hilfsvereins der deutschen Juden, der sich ab 1933 um die Ausreise von Juden aus Deutschland bemühte.

Seine exponierte Position mag ein Grund gewesen sein, warum ihn die Nationalsozialisten ab 1939/40 zwangen, zusammen mit dem jüdischen Rechtsanwalt – nunmehr nur noch „Rechtskonsulent“ – Dr. Berthold Guthmann in Wiesbaden bzw. dann in Frankfurt/Main für die Bezirksstelle Hessen-Nassau der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD) zu arbeiten. Dabei musste unter Aufsicht der Gestapo jüdischer Besitz juristisch „abgewickelt“ werden.

Einige Dokumente mit seiner Unterschrift sind aus jener Zeit erhalten. Goldstein scheint anfänglich möglicherweise für kurze Zeit auf die von der RVJD propagierten „Heimeinkaufsverträge“ gesetzt zu haben, wonach die zu Deportierenden im Alter von 65 Jahren und darüber ihr Vermögen liquidieren und Kontrakte „nach dem Muster der mit Altersheiminsassen geltenden Verträge“ schließen und dann in Theresienstadt „lebenslange Heimunterkunft und Verpflegung“ genießen können sollten. Er hatte zunächst – möglicherweise gedacht für den Fall, dass die Ausreise nicht gelingen könnte – für seine Frau und sich selbst auch einen solchen Vertrag abgeschlossen. Dass er diesen Betrug dann aber schnell durchschaute und einzelne Fälle zu verschleppen suchte, wurde von einem Gestapo-Spitzel in der RVJD entdeckt und löste seine umgehende Deportation aus.

Vor dem zwangsweisen Umzug nach Frankfurt hatte Goldstein dem Wohnungsamt in Wiesbaden und der Gestapo über die „Freistellung von Wohnraum“ durch Einweisung in eines der insgesamt 42 sogenannten „Judenhäuser“ zu berichten. In ein solches hatten 1939 auch die Goldsteins umziehen müssen; ihr Haus in der Parkstraße 8 war von der SS beschlagnahmt worden. Sie wohnten nun in beengten Verhältnissen zur Untermiete in der Langgasse 20, ehe sie 1942, also kurz vor ihrer endgültigen Deportation, noch gezwungen wurden, in eine „Gemeinschaftsunterkunft“ nach Frankfurt zu ziehen. Nahezu das gesamte Inventar der Wohnung in der Parkstraße war im Spätjahr „auf Antrag“ Goldsteins versteigert, besser gesagt verramscht worden.

Dem Ehepaar Goldstein war es aber nicht möglich, seinen beiden Kindern zu folgen, deren Auswanderung nach England man angesichts zunehmender Drangsalierung und den Pogromen während der sogenannten „Reichskristallnacht“ 1938 erfolgreich betrieben hatte. Kurzfristig hatte wohl Hoffnung auf ein Visum für Chile bestanden, die sich aber zerschlagen haben musste. Ursprünglich hatte man wohl geplant – so jedenfalls geht es aus einem Brief vom 10. August 1939 an die Tochter Barbara nach England hervor – die Kinder nach Südamerika nachkommen zu lassen, „wenn es wirklich Ende oder Anfang nächsten Jahres zur Auswanderung kommt“.

Aber schon am 24. August musste der Vater schreiben:

„Es sieht leider so aus, als ob wir mit einer Unterbrechung unseres Briefwechsels rechnen müssen, der liebe Gott weiß, für welche Zeit [...].Wie es mit uns wird, ist noch ganz ungewiss, ich betreibe die Auswanderung einstweilen weiter. Vielleicht geschieht noch ein Wunder …“

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Deportation und Ermordung

Das Wunder geschah nicht.

Am 18. März 1943 wurden Georg und Margarethe Goldstein nach Theresienstadt deportiert. Ein letztes Lebenszeichen existiert in Form eines Rot-Kreuz-Formulars vom 14. März, worin der Tochter die „Abreise“ angekündigt wird, in 23 Worten – maximal 25 hätten es sein dürfen.

Im Lager Theresienstadt geriet Georg Goldstein wohl Anfang August 1943 in verschärfte Haft in die sogenannte „Kleine Festung“, dem „Gefängnis“ im Konzentrationslager. Informationen der Familie bzw. eines Anwaltes zufolge hatte er Mithäftlinge des Ghettos vor einer Intrige gewarnt, wofür er von der Lagerleitung „bestraft“ worden war.

Seine Deportation nach Auschwitz muss in der zweiten Augusthälfte erfolgt sein. Eine Karteikarte aus dem Lager Theresienstadt vermerkt neben dem Sterbeort Auschwitz das Sterbedatum 31. August 1943 – und als Todesursache: „unbekannt“. Das Krematoriumsverzeichnis von Auschwitz bestätigt das Todesdatum.

Georg Goldsteins Frau Margarethe wurde 1944 ebenfalls nach Auschwitz deportiert und dort in den Gaskammern ermordet.

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Was bleibt?

Georg Goldstein, der – so der Wortlaut in einer Festschrift der DGK von 1960 – „unter Zurückstellung aller persönlichen Bedürfnisse“ über zwei Jahrzehnte die Geschicke der DGK „in unsäglich mühevoller Arbeit“ überaus erfolgreich geleitet hatte, stand trotz seiner großen Verdienste zeitlebens eher im Hintergrund, galt wohl in der Familie als ein „zurückhaltender, sehr berufsorientierter Mann“. Er war – buchstäblich bis zum furchtbaren Ende – ein Mann der Tat, nicht des großen Wortes. Er hinterließ keine Memoiren – wann hätte er die auch schreiben sollen oder wollen? –, auch keine sonstigen Publikationen.

Die eingangs angesprochene spärliche Quellenlage mag als Problem gesehen werden, schmälert indessen nicht Goldsteins Lebensleistung. An ihn an einer seiner Wirkungsstätten zu erinnern, wird einer „Erinnerungskultur“ gerecht, wie sie seit den Neunzigerjahren begonnen hat sich durchzusetzen: Nicht pauschal, nicht abstrakt soll „Erinnern“ geschehen, sondern am konkreten Ort, der eine solche Anknüpfung erlaubt. Ein gewisses Maß an Erinnerungsarbeit für Georg Goldstein erbringen das Aktive Museum Spiegelgasse in Wiesbaden, dem einstigen Sitz der DGK, sowie die LpB.

Dass das nach Goldsteins Intentionen erstellte „Haus auf der Alb“ heute eine Institution beherbergt, die der politischen Bildungsarbeit im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Ordnung unseres Landes verpflichtet ist, wäre sicher im Sinne seines liberalen, republikanisch gesinnten Erbauers gewesen.

Und dass eine alteingesessene kaufmännische Schule „vor Ort“, die heutige Georg-Goldstein-Schule Bad Urach, eines Tages auf seinen Namen stoßen, ihn anlässlich der Einweihung ihres Neubaus im Jahr 2012 zum Namenspatron wählen und so an ihn erinnern würde, hätte diesen bescheidenen Mann vermutlich sogar eher peinlich berührt.

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Über seinen Namen könnte ein aufmerksamer Zeitgenosse, der das „Haus auf der Alb“ zum ersten Mal betritt, „stolpern“ (in des Wortes doppelter Bedeutung), indem er auf den „Stolperstein“ aufmerksam wird, der 2009 vor dem Eingang des „Hauses auf der Alb“ in den Boden eingelassen wurde – einer jener bundes- und inzwischen europaweit über 70.000 pflastersteingroßen Messingblöcke des Künstlers Gunter Demnig, die im Rahmen dieser Aktion an Opfer des Holocaust erinnern sollen, meist vor Häusern oder Wirkungsstätten ihrer einstigen Bewohner.

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Der vierte Teil der Biographie befasst sich mit Goldsteins Dienst am Menschen bis zu seiner Deportation und Ermordung.

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Autor: Hans-Peter Kuhnle, Neuffen / Aufbereitung für das Netz: Internetredaktion der LpB

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