Fritz Erler (1913–1967)

Widerstandskämpfer und Vordenker der Sozialdemokratie

Als SPD-Oppositionsführer im Bundestag schöpfte Fritz Erler die Möglichkeiten der parlamentarischen Debatte kämpferisch aus, blieb dabei aber stets an einer konstruktiven Mitgestaltung des Gemeinwesens orientiert. Er galt als eigenständiger und unbequemer Kopf und legte mit Reformvorschlägen, die parteiintern lange Zeit umstrittenen waren, eine wichtige Grundlage für die Entwicklung der SPD von der klassischen Arbeiterpartei hin zur regierungsfähigen Reformpartei.

Am 14. Juli 1913 in Berlin geboren, begann Fritz Erler nach dem Abitur eine Ausbildung in der Berliner Stadtverwaltung. Bereits als Fünfzehnjähriger trat er in die Sozialistische Arbeiterjugend, die Jugendorganisation der SPD, ein. Im Zeichen des Aufstiegs der NS-Bewegung war er in einer Oppositionsgruppe mit der programmatisch-visionären Bezeichnung „Neu Beginnen“ aktiv. Seine Studienpläne und sein Wunschtraum, in den Auswärtigen Dienst einzutreten, hatten sich dadurch zerschlagen. Im Herbst 1938 flog die gesamte Gruppe „Neu Beginnen“ auf. Auch Fritz Erler wurde festgenommen. Zwar konnte er knapp der Todesstrafe entrinnen, aber für ihn begann nun eine leidvolle Zeit der Haft und Zwangsarbeit. Als er mit einem der grausamen Häftlingstransporte gegen Ende des Krieges in das Konzentrationslager Dachau verschleppt werden sollte, gelang ihm in Bayern die Flucht. Fritz Erler konnte sich nach Oberschwaben durchschlagen und verstecken, bis französische Truppen Ende April 1945 die Befreiung brachten.

Der deutsche Südwesten sollte nun seine politische Basis bilden. Als politisch Verfolgter und Widerstandskämpfer galt er den Besatzern als integer; hinzu kamen seine guten Französischkenntnisse. So wurde er kurz nach Kriegsende zunächst Dolmetscher beim Bürgermeisteramt Biberach, schließlich Landrat in Biberach. Als pragmatischer Mann des Aufbaus kam er dabei immer wieder in Konflikt mit den französischen Besatzern und wurde sogar für vier Monate inhaftiert. Nach seiner erneuten Freilassung berief ihn Carlo Schmid zum Vorsitzenden einer Kommission zur Säuberung und Reorganisation der Innen- und Finanzverwaltung in Tübingen. Hier wurde Erler auch Mitglied der Beratenden Landesversammlung und später des Landtags von Württemberg-Hohenzollern.

Inzwischen Landrat des Kreises Tuttlingen, wurde Erler 1949 für die SPD in den Bundestag gewählt. 1953 kandidierte er im Wahlkreis Pforzheim, wo er sich nun auch mit seiner Familie niederließ. Seine Bundestagsmandate verdankte er stets der Landesliste der SPD, ein Direktmandat konnte er nie gewinnen. Für seine Fraktion war er nun in führenden Positionen für Fragen der Verteidigungs- und Außenpolitik zuständig. Zunehmend korrigierte er die anfänglich von Kurt Schumacher geprägten außenpolitischen Positionen der SPD in Richtung einer an zeitgenössischen politischen Erfordernissen orientierten Vernunftpolitik, die insbesondere die Wiederbewaffnung und Westbindung befürwortete. Als stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses trieb er dabei insbesondere auch die Konzeption einer verfassungsloyalen Bundeswehr voran.

An dem Entwurf des 1959 verabschiedeten Godesberger Programms der SPD hatte Fritz Erler entscheidend mitgewirkt. 1964 wurde er schließlich als Nachfolger von Erich Ollenhauer zum Fraktionsvorsitzenden der SPD gewählt. Fritz Erler verkörperte als Oppositionsführer einen Politikstil, der deutlich machte, dass die SPD ihre Rolle innerhalb und außerhalb des Parlaments als konstruktiv und konsensorientiert verstand. Als 1966 Gespräche über eine Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD geführt wurden, stärkte der inzwischen an Leukämie erkrankte Fritz Erler vom Krankenhausbett aus dem zukünftigen Vizekanzler Willy Brandt den Rücken. Es war ihm nicht mehr vergönnt, die nicht zuletzt durch seine Arbeit erreichte Regierungsbeteiligung der SPD mitzugestalten.

Fritz Erler starb am 22. Februar 1967 im Alter von nur 53 Jahren in Pforzheim.


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Anregungen zum Weiterlesen:

  • ERLER, Fritz: Sozialismus als Gegenwartsaufgabe, Schwenningen 1947.
  • ERLER, Fritz: Soll Deutschland rüsten? Die SPD zum Wehrbeitrag, Mannheim 1952.
  • ERLER, Fritz: Demokratie in Deutschland, Stuttgart 1965.
  • SCHMIDT, Helmut: Fritz Erler – ein Vorarbeiter auf dem Wege der Sozialdemokratie zur Reformpartei, in: Fritz Erler und die Sozialdemokratie als Reformpartei, hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Düsseldorf 1992, S. 5–38.
  • SOELL, Hartmut: Fritz Erler. Eine politische Biographie, Bonn 1976.
  • SOELL, Hartmut: Fritz Erler (1913–1985), in: Reinhold WEBER/Ines MAYER (Hrsg.): Politische Köpfe aus Südwestdeutschland, Stuttgart 2005, S. 310–320.

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