Le Corbusier (1887–1965)

Pionier der Neuen Sachlichkeit

Der Schweizer Le Corbusier war einer der einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts, dessen neue Ideen aber auch Kontroversen auslösten. Seine „Betongebäude“ begründeten den Architekturstil des Brutalismus. Seit 2016 gehören 17 seiner Bauten in sieben verschiedenen Ländern zum UNESCO-Welterbe, unter anderem auch seine 1927 in der Stuttgarter Weissenhofsiedlung errichteten Häuser.

Charles-Édouard Jeanneret-Gris, der seit 1920 unter dem selbstgewählten Pseudonym „Le Corbusier“ wirkte, realisierte auf dem Weissenhof gemeinsam mit seinem Cousin Pierre Jeanneret zwei Wohnhäuser. Nach seinen „Fünf Punkten zu einer neuen Architektur“ entwarfen die Partner, die seit 1922 ein gemeinsames Architekturbüro in Paris führten, ein Einfamilienhaus und ein Doppelhaus. In letzterem befindet sich heute das „Weissenhofmuseum“, der erste errichtete Bau des „Maison Citrohan“, einem Prototyp für den standardisierten Massenwohnungsbau. Zweigeschossig mit Zwischengeschoss konnte dieser Urtyp in vielfältiger Weise gestapelt werden und bildete die Zelle für seine späteren Wohnanlagen. Pfosten „Pilotis“, Dachgärten, freie Grundriss- und Fassadengestaltung sowie Langfenster waren die fünf grundlegenden Elemente des Neuen Bauens, die Le Corbusier in einer seiner zahlreichen, teils radikalen theoretischen Schriften formulierte. Als Pionier der Neuen Sachlichkeit und Vertreter einer rationalen Logik des Purismus arbeitete er in den 1920er Jahren auch an exklusiven Stadtvillen, von denen jede für sich ein individuelles Kunstwerk darstellt. Die „Villa Savoy“ in Poissy etwa ist einer jener Bauten, die außen klar gegliederte geometrische Elemente verbinden und im Inneren komplexe Raumgefüge offenbaren.

    „Le“ wie ihn seine Freunde und Bewunderer später nannten, hatte ebenso wie Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe 1910/1911 bei Peter Behrens in Potsdam-Neubabelsberg gearbeitet. Er begann seine Laufbahn mit einer Lehre als Graveur und Ziseleur in seinem Schweizer Geburtsort La Chaux-de-Fonds und wandte sich schließlich der Kunst und Architektur zu. Er unternahm ausgedehnte Studienreisen, zeichnete und arbeitete bei verschiedenen Architekten in Europa. Durch seine wegweisenden Bauten wurde er Ende der 1920er Jahre zur Galionsfigur der Moderne. Bekanntheit erlangte er zudem durch Möbelentwürfe wie die berühmte „Chaiselongue, LC4“ oder der „Sessel LC3".

      Während der Zeit der „Kollaboration“ war Le Corbusier Anhänger der französischen Vichy-Regierung und erhielt Aufträge von der Regierung unter Marschall Philippe Pétain. Seine städtebauliche Konzeption der „Cité radieuse“ von 1922 war nach striktem Raster angelegt und sorgte weltweit für kontroverse Diskussionen. So wurde sie etwa von faschistischer Seite als Realisierung nazistischer Vorstellungen gelobt.

      Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete er die „Assemblée des Constructeurs pour une Rénovation Architecturale“ (Vereinigung der Konstrukteure für eine architektonische Erneuerung), um mit jungen Architekten den Wiederaufbau der Städte zu gestalten. In der „Unité d’habitation“ in Marseille (1947–1958) kamen seine jahrelangen Bemühungen um den Massenwohnungsbau zum Ausdruck, in deren Konzeption zahlreiche Ideen der Vorkriegszeit einflossen. Allerdings ließ er hier – wie auch bei weiteren Projekten seines Spätwerks – die Spuren der Betonverschalung sichtbar werden. Sein Alterswerk ist gekennzeichnet von einer Architektursprache, die sich von den frühen Jahren unterscheidet: Die Bauten stehen nicht mehr auf „Pilotis“, sondern sind fest im Boden verankert. Die Verwendung von Sichtbeton wurde maßgeblich, die Formensprache wuchtig und expressiv. Die Regierungsbauten in Chandigarh in Indien (1950–1965) und das Dominikanerkloster Sainte Marie de la Tourette (1957–1960) wurden so Vorbilder für die Bewegung des Brutalismus.

      Im Alter von 77 Jahren starb Le Corbusier unweit seines Ferienhäuschens bei Cap Martin. Beim Baden im Meer erlitt er einen Herzinfarkt und ertrank.


      Anregungen zum Weiterlesen:

      • Gargiani, Roberto/Rosellini, Anna: Béton Brut und der Unbeschreibliche Raum. Le Corbusier, Freiburg 2014 (englische Originalausgabe Lausanne, 2011).
      • Cohen, Jean-Louis: Frankreich oder Deutschland? Ein ungeschriebenes Buch von Le Corbusier, München 2011.
      • Cohen, Jean-Louis: Le Corbusier, Köln 2004.
      • Rüegg, Arthur : Le Corbusier. Möbel und Interieurs 1905–1965, Zürich/Paris 2012.

      Links:

      Lebendiges Museum Online: Le Corbusier


      Filmtipps:

      Das Jahrhundert Le Corbusiers
      Le Corbusier war der Großmeister des Stahlbetons und einer der bedeutendsten Architekten und Maler des 20. Jahrhunderts. Anhand von Interviews und Schriften des Architekten ordnet die Doku Le Corbusiers Leben in seine Zeit ein.

      Das Jahrhundert Le Corbusiers (YouTube)

      Le Corbusier: Weissenhofsiedlung Stuttgart (YouTube)

      Le Corbusier: Kloster La Tourette (YouTube)

       

      Chandigarh, die Stadt in Indien, die 1948 aus dem Nichts erbaut wurde, ist ein Manifest Le Corbusiers, des Hauptpropheten der modernen Architektur. Ein politisches Manifest für das neue, unabhängige Indien, der Traum von einer menschenfreundlichen Stadt.

      GEO Reportage - Chandigarh – Leben im Beton (YouTube)

      Autorin: Jutta Fischer, Metzingen / Aufbereitung für das Netz: Internetredaktion der LpB

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