Marianne Brandt (1893–1983)

Leiterin der Metallwerkstatt am Bauhaus

Als Leiterin der Metallwerkstatt am Bauhaus initiierte Marianne Brandt ab 1928 gemeinsam mit Hin Bredendieck (1904–1995) die Zusammenarbeit mit produzierenden Firmen in Leipzig und Berlin. Designprodukte wie Beleuchtungskörper wurden unter ihrer Leitung für die Serienproduktion entworfen. Sie wurde vor allem durch angewandte Arbeiten wie das Tee-Extraktkännchen bekannt. Zugleich wirkte Marianne Brandt als experimentelle Fotografin, die mit gesellschaftskritischem Blick Themen wie Großstadt, Film oder Geschlechterverhältnisse thematisierte.

    Geboren wurde Marianne Liebe 1893 in Chemnitz als jüngstes von drei Mädchen. Im gutbürgerlichen Elternhaus wurde eine schöngeistige Bildung der Kinder durch Musik, Kunst und Literatur gefördert. Nach dem Besuch einer höheren privaten Mädchenschule besuchte sie in Weimar zunächst eine freie Zeichenschule, um dann an die Großherzoglich-Sächsische Hochschule für Bildende Kunst zu gehen, aus der später das Bauhaus hervorging. Dort lernte sie ihren späteren Mann, den norwegischen Maler Erik Brandt, kennen.

    Nach Aufenthalten in Norwegen, Paris und Südfrankreich kam Marianne Brandt im Wintersemester 1923/24 nach Weimar zurück. Dort begann sie im Vorkurs bei Josef Albers (1888?1976) und László Moholy-Nagy (1895–1946) zu studieren. Ebenso nahm sie am Unterricht von Wassily Kandinsky (1866–1944) und Paul Klee (1879?1940) teil.

      Anders als den meisten weiblichen Studierenden gelang es ihr durch die Vermittlung von Moholy-Nagy, in der Metallwerkstatt und nicht in der Weberei zu arbeiten. Er entdeckte früh ihr besonderes Talent und wurde ihr wichtigster Lehrer und Impulsgeber. Zu Beginn wurden ihre jedoch einfachen Arbeiten übertragen, die keine Abwechslung boten:

      „Wie viele kleine Halbkugeln in sprödem Neusilber habe ich mit größter Ausdauer in die Anke geschlagen und gedacht, das müsse so sein und ‚aller Anfang ist schwer‘“.

        Bereits im ersten Jahr am Bauhaus entstand ein Tee-Extraktkännchen, das heute als Bauhaus-Ikone gilt. Deutlich sind in diesem Designobjekt die Gestaltungsgrundsätze der Schule verkörpert, wobei Materialien kontrastreich kombiniert und Einzelformen klar gegeneinander gesetzt wurden. Zudem sollten die Objekte zweckdienlich sein:

        „Wir wollten zwar zurück zu den einfachen Formen, aber das wichtigste war: Keine Kanne ist aus unserer Werkstatt gegangen, die nicht tropffrei goß. Das Benutzen und besonders das Gießen haben wir ausprobiert.“

        Die kleine Kanne ist nur knapp acht Zentimeter hoch und setzt sich aus geometrischen Formen wie Kreis, Quadrat, Dreieck zusammen und besteht aus den konträren Materialien Silber und Holz. Auch gehörten gehörten zu ihren frühen Arbeiten zwei „Aschebehälter“ von 1924, die aus elementaren Formen bestanden. Ihre Entwürfe von Kaffeservices und Servierschüsseln erreichten schließlich Kultstatus und stellten damals die bisherige Gestalt solcher Gebrauchsgegenstände grundsätzlich infrage.

        Nach dem Umzug des Bauhauses nach Dessau setzte Marianne Brandt ihre Ausbildung in der Metallwerkstatt fort und entwarf für das Dessauer Schulgebäude Beleuchtungskörper. Schließlich leitete sie die lichttechnischen Versuche und wurde ab Mai 1928 Leiterin der Metallwerkstatt. Gemeinsam mit Hin Bredendieck organisierte sie die Zusammenarbeit mit den Firmen Körting & Mathiesen AG in Leipzig. Unter der Marke „Kandem“ wurden ihre Schreibtisch- und Nachttischleuchten bis in die 1950er Jahre produziert. Auch kam es unter ihrer Leitung zur Kooperation mit der Firma Schwintzer & Gräff in Berlin. Lucia Moholy (1894?1989) dokumentierte die Arbeiten Brandts fotografisch und auch Marianne Brandt selbst war leidenschaftliche Fotografin. Seit Beginn ihrer Bauhauszeit entstanden experimentelle Selbstporträts und Fotogramme. Auch in ihrem letzten Jahr dort war sie fotografisch äußerst produktiv.

        1929 entschloss sich Marianne Brandt, beruflich neue Wege zu gehen, nicht zuletzt, weil durch männliche Kollegen am Bauhaus immer wieder ihre Autorität als Leiterin infrage gestellt wurde. Sie verließ das Bauhaus mit einem offiziellen Diplom der Metallwerkstatt. Anschließend arbeitete sie noch sechs Monate im Bauatelier von Walter Gropius (1883–1969) an Möbeln und Inneneinrichtungen für die Dammerstock-Siedlung in Karlsruhe. Während des „Dritten Reiches“ wurde ihr Schaffen von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert. Ihre Tätigkeit kam gezwungenermaßen zum Erliegen. Zurückgezogen von der Öffentlichkeit lebte sie nach der Scheidung von ihrem Mann im Chemnitzer Elternhaus. In den 1950er Jahren folgten Lehrtätigkeiten an der Dresdener Hochschule der Bildenden Künste und der Kunsthochschule Berlin/Weißensee sowie die Betreuung der Ausstellung „Deutsche angewandte Kunst“ in China. Später beschäftigte sie sich vor allem privat mit Malerei und Plastik. 1976 siedelte sie in ein Pflegeheim nach Kirchberg bei Zwickau über, wo sie am 18. Juni 1983 starb.


        Anregungen zum Weiterlesen:

        • Mehlau-Wiebking/Rügg, Arthur/Tropeano, Ruggero (Hrsg.): Schweizer Typenmöbel 1925–1935. Siegfried Giedeon und die Wohnbedarf AG, Zürich 1989.

        • Müller, Ulrike: Bauhaus-Frauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design, Berlin 2014.

        • Weber, Klaus (Hrsg.): Die Metallwerkstatt am Bauhaus, Berlin 1992.

        • Weise, Anne-Kathrin: Marianne Brandt. Wegbereiterin des Produktdesigns, Wiesbaden 2018.

        • Wynhoff, Elizabeth (Hrsg.): Marianne Brandt. Fotografien am Bauhaus, Ostfildern-Ruit 2003.


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        Autorin: Jutta Fischer, Metzingen / Aufbereitung für das Netz: Internetredaktion der LpB

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