Das „Neue Bauen“ und das „Haus auf der Alb“
Zum Wegbereiter einer neuen, sachlichen architektonischen Formensprache wurde der 1907 gegründete Deutsche Werkbund. Der Architekt und Gründer des Bauhauses Walter Gropius prägte hierfür den Begriff „Neues Bauen“, der schließlich zum Synonym für die moderne Architektur im beginnenden 20. Jahrhundert wurde. Neue Werkstoffe wie Eisen, Glas und Beton waren bezeichnend für diesen neuen Baustil, ebenso formal reduzierte Elemente wie einfache Kuben, verzahnte Raumvolumen, kühne Auskragungen oder freistehende Wände.
Die Gründe für diese Entwicklung liegen nicht zuletzt in der Abkehr von einer im 19. Jahrhundert historisierend eklektizistischen Bauweise, die zunehmend als unzeitgemäß empfunden wurde. Auch war die soziale Problematik, das Wachstum der Städte und die Wohnungsnot zwischen den Weltkriegen für viele Architekten impulsgebend, um neue Lösungen für den Wohnungsbau zu finden.
Mittel der industriellen Produktion sollten der Gesellschaft dienen, die optimale Ausnutzung kleinster Flächen entsprach dem Gedanken einer konstruktiven Ökonomie. Daraus resultierte eine karge Formensprache. Ornament galt hingegen als verschwenderisch. Moderne Ästhetik verband sich so mit sozialem Anspruch.
Vor dem Hintergrund der Lebensreformbewegungen galt es zudem, den Bedürfnissen der Menschen nach Licht und Luft auch in der Architektur nachzukommen. Ungleich der dunklen, reich dekorierten Interieurs des Wilhelminischen Zeitalters wurden Wohnräume nun funktional, offen und hell.
Das „Haus auf der Alb“
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Ein gelungenes Beispiel des „Neuen Bauens“ ist das 1930 als Kaufmannserholungsheim fertiggestellte „Haus auf der Alb“ in Bad Urach.
Der Architekt, Professor für Innenarchitektur und Möbelbauer Gustav Adolf Schneck gewann den von der Deutschen Gesellschaft für Kaufmannserholungsheime (DGK) ausgelobten Wettbewerb für ein „Ferienheim für Handel und Industrie“. Die hochrangige Jurybesetzung mit den Stadtbaudirektoren von Köln und Frankfurt am Main sowie Paul Bonatz von der Technischen Hochschule in Stuttgart machte deutlich, dass es sich um ein herausragendes Projekt modernen Bauens handeln sollte.
Schneck gehörte neben Otto E. Oßwald und Richard Döcker zu einer kleinen Gruppe württembergischer Architekten, die in den 1920er-Jahren die Entwicklung des „Neuen Bauens“ voranbrachten. Bereits 1927 realisierte Schneck zwei Musterhäuser der vom Deutschen Werkbund ausgehenden und stilprägenden Stuttgarter Weißenhofsiedlung. Selbst Mitglied der württembergischen Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Werkbundes, vertrat Schneck die Vorstellungen des neuen Baustils.
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Lob und Ablehnung
Die moderne Architektur von Gustav Adolfs Schnecks architektonischem Hauptwerk wurde bereits zur Zeit seiner Entstehung vielfach lobend beachtet und zugleich aus Kreisen der schwäbischen „Heimatpflege“ abgelehnt.
Das „Haus auf der Alb“ ist nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund eines grundsätzlichen ideologischen Streits zwischen Befürwortern des modernen Flachdachs und Verteidigern des „traditionellen“, vermeintlich „deutschen“ Satteldachs zu sehen. Hier standen sich in einem „Glaubenskrieg“ der Architekten und Handwerker Konservative und Avantgardisten unversöhnlich gegenüber. Für die Kritiker war das Flachdach ein „funktionaler Albtraum“, weil man wichtigen Speicherraum verlor und Probleme mit Wärmedämmung und Entwässerung hatte. Für die Befürworter war das Flachdach die Konsequenz ihrer ästhetischen Vorstellungen des „Neuen Bauens“: einfach herzustellen, billiger und funktionaler.
In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg geriet das Gebäude unter architekturhistorischen Gesichtspunkten in Vergessenheit. Oftmals wurde sachlich, karge Architektur als reiner Zweckbau abgetan, und so stand auch das „Haus auf der Alb“ dem Abriss nahe.
Erst 1981 veranlasste die Außenstelle des Tübinger Landesdenkmalamtes, das Gebäude als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung ins Denkmalbuch einzutragen.
Von 1989 bis 1992 wurde das Haus durch den Nürtinger Architekten Hellmut Kuby zum Tagungszentrum der Landeszentrale für politische Bildung umgebaut.
1992 wurde das Werk Kubys von der Architektenkammer Baden-Württemberg mit dem Prädikat „Auszeichnung für beispielhaftes Bauen“ im Kreis Reutlingen gewürdigt.
1993 erhielt das Haus vom Bund Deutscher Architekten (BDA), Landesverband Baden-Württemberg, eine „Auszeichnung guter Bauten“.
Autorin: Jutta Fischer, Metzingen / Aufbereitung für das Netz: Internetredaktion der LpB