Oskar Schlemmer (1988–1943)

Wegweisender Pionier der Klassischen Moderne

    „Die Darstellung des Menschen wird immer das große Gleichnis für den Künstler bilden.“

    Oskar Schlemmer war ein wegweisender Pionier der Klassischen Moderne. Er versuchte, wie viele Künstler der europäischen Avantgarde, Technik und Kunst, Mensch und Zivilisation sowie Körper und Geist in seiner Arbeit zu versöhnen. Als Meister am Bauhaus übernahm er erst die künstlerische Leitung der Wandmalerei-Klasse, wenig später leitete er die Bauhaus-Bühne, die er maßgeblich prägte. Das Gemälde „Die Bauhaustreppe“ sowie „Das Triadische Ballett“ gehören zu seinen Hauptwerken.

    Oskar Schlemmers „Triadisches Ballett“ wurde am 30. September 1922 am Württembergischen Landestheater in Stuttgart uraufgeführt. Diese Tanzdarbietung mit fantasievollen und neuartigen Kostümen führte zu modernen tänzerischen Ausdrucksformen. Durch raumgreifende Kostümelemente waren die Tänzerinnen und Tänzer in ihrem Bewegungsradius stark eingeschränkt und führten mechanisch marionettenhaft wirkende Bewegungen aus. Auch Schlemmer selbst wirkte unter dem Pseudonym Walter Schoppe als Aufführender mit. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete er bereits als Lehrer am Bauhaus in Weimar und brachte zur Stuttgarter Aufführung über zwanzig Studierende und Lehrende aus dem Bauhaus mit, die im Theater für gute Stimmung sorgten.

      Bereits 1920 folgte er einer Einladung von Walter Gropius nach Weimar und leitete erst die Wandmalerei, dann die Bildhauerei, um schließlich die Nachfolge von Lothar Schreyer (1886–1966) als Leiter der Bauhausbühne anzutreten. Dort entwickelte er auch mit den „Bauhaustänzen“ Pionierwerke. „Stäbetanz“, „Metalltanz“ oder „Kulissentanz“ waren in ihrer modernen Ausdrucksweise einzigartig und trugen in den 1920er Jahren zur Entwicklung der Kunstform „Performance“ bei.

        Oskar Schlemmer, der 1888 als jüngstes von sechs Kindern in Stuttgart geboren wurde, begann 1906 an der dortigen Akademie der Künste Freie Malerei zu studieren. An seinen Göppinger Schulfreund Otto Hoffmann schrieb er:

        „Ich habe eine Geliebte!!!! Die Kunst!“

        Während eines Aufenthaltes in Berlin im Jahr 1910 lernte er Künstler aus dem Umfeld der wegweisenden Galerie „Der Sturm“ kennen. Er beschäftigte sich mit Wassily Kandinskys (1866-1944) programmatischer Schrift „Über das Geistige in der Kunst“ und wurde 1912 Meisterschüler Adolf Hölzels (1853–1934), der für moderne Bestrebungen an der eher konservativen Stuttgarter Akademie bekannt war. Nach dem Militärdienst im Ersten Weltkrieg sowie von künstlerischem Schaffen geprägten Fronturlauben gründete er 1918 unter anderem mit Willi Baumeister (1889–1955) die „Üecht“-Gruppe, die dem Stuttgarter Publikum das Werk Paul Klees (1879–1940) näherbrachte. Durch Ausstellungen und öffentliche Stellungnahmen stieg Schlemmers überregionale Bekanntheit und er entwickelte sukzessive seinen wiedererkennbaren Stil, der die Relationen von Körpern, Geometrie und Architektur auslotet.

        Ein Jahr nachdem Walter Gropius das Bauhaus verlassen hatte, kehrte auch Oskar Schlemmer 1929 der Lehranstalt den Rücken. Seine Bühnenaktivitäten gerieten unter der Leitung des neuen Direktors Hannes Meyer (1889–1954) in Diskussion, aber Schlemmer lehnte die geforderte Politisierung der Bauhausbühne ab. Er wurde als Professor an die Staatliche Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau berufen, die jedoch infolge der Weltwirtschaftskrise 1932 schließen musste. In dieser Zeit entstand seine auf die Bauhaus-Zeit zurückblickende Komposition „Die Bauhaustreppe“.

        Das berühmte Werk wurde ein Jahr später vom amerikanischen Architekten Philip Johnson für das New Yorker Museum of Modern Art erworben. Schlemmer äußerte in einem Brief seine Freude  über den Verkauf seines Bildes ‚Bauhaustreppe´:

        „Ich bin sehr erfreut, dass es in ein würdiges, bedeutendes Museum kommt.“

        Nach einer Diffamierungskampagne des NS-Regimes wurde Schlemmer 1933 an den Berliner Vereinigten Staatsschulen für angewandte und freie Kunst gekündigt, wo er seit November 1932 gearbeitet hatte. Er versuchte erfolglos durch mehrere Schreiben – unter anderem an Joseph Goebbels (1897–1945) – dieser Entlassung entgegenzuwirken. Mit seiner Frau Tut – geborene Helena Tutein – und den drei Kindern zog er ins Südbadische, wo die Familie durch eine Erbschaft 1937 ein Haus bauen konnte. Im selben Jahr wurde der Künstler in der NS-Ausstellung „Entartete Kunst“ mit sechs Gemälden, unter anderen sein Werk „Fünf Foguren im Raum", und sechs Arbeiten auf Papier diffamierend zur Schau gestellt.

        Trotz der schwierigen Situation blieb die Familie in Deutschland. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges führte er Tarnanstriche von Militärflughäfen und Industrieanlagen aus und gestaltete Wandbilder für das Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus sowie das Privathaus von Dieter Keller in Stuttgart-Vaihingen. Durch Willi Baumeister erhielt er 1940 einen Auftrag zur Erprobung von Lackfarben bei dem Wuppertaler Fabrikanten Kurt Herberts, wo auch Baumeister selbst, der ehemalige Bauhauslehrer Georg Muche (1895–1987) und der Kunsthistoriker Hans Hildebrandt (1878–1957) beschäftigt waren. Dort entstanden experimentelle künstlerische Arbeiten aus Lackfarben. Schlemmer konnte hier auch ein Lackballett realisieren, das anlässlich des 75. Jubiläums der Firma Herberts aufgeführt wurde. Existenzängste und Selbstzweifel setzten ihm zu. Schließlich traten Symptome einer schweren körperlichen Krankheit auf.

        Oskar Schlemmer starb am 13. April 1943 an einer Herzlähmung im Sanatorium von Baden-Baden.

         


        Anregungen zum Weiterlesen:

        • Belting, Hans: Das unsichtbare Meisterwerk. Die modernen Mythen der Kunst, München 1998.

        • Blume, Torsten/Hiller, Christian (Hrsg.): Mensch – Raum – Maschine. Bühnenexperimente am Bauhaus, Dessau 2014.

        • Conzen, Ina (Hrsg.): Oskar Schlemmer. Visionen einer neuen Welt, München 2014.

        • Maur, Karin von (Hrsg.): Oskar Schlemmer. Der Maler, der Wandgestalter, der Plastiker, der Zeichner, der Graphiker, der Bühnengestalter, der Lehrer, Stuttgart 1977.

        • Schlemmer, Oskar: Der Mensch, Berlin 2003.

        Links:


        Autorin: Jutta Fischer, Metzingen / Aufbereitung für das Netz: Internetredaktion der LpB

        Filmtipps:

        Oskar Schlemmer - Menschenbilder, Arte-Doku 2014

        Bauhauskinder erzählen: Oskar Schlemmer - Enkelin Janine Schlemmer erzählt

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