Goldsteins Projekt: Das Haus auf der Alb

Teil drei seiner Biographie (1877–1943)

Der dritte Teil der Biographie befasst sich mit Goldsteins Projekt Haus auf der Alb und seinem Berufsverbot.

Die folgenden Stationen seines Lebens behandeln die Themen:

Das Projekt „Haus auf der Alb“

Die Stadt Urach sowie viele Stimmen aus der württembergischen Wirtschaft insistierten indessen auf einen Baubeginn. Goldstein ließ das Projekt 1928 schließlich neu ausschreiben, wollte „kein(en) Luxusbau“, „gute Besonnung und Belüftung aller Wohn- und Gesellschaftsräume“, alles realisiert „unter dem Gesichtspunkt allergrößter Sparsamkeit und Einfachheit“.

Der Stuttgarter Architekt Adolf G. Schneck, einer der beiden Preisträger, erhielt den Auftrag, nachdem er die sehr engagiert und dezidiert vorgebrachten Vorstellungen Goldsteins kongenial umzusetzen imstande war.

Schneck, ursprünglich als Möbelgestalter und Innenausstatter tätig, hatte sich durch seine Beteiligung an der Stuttgarter Weißenhofsiedlung (1927) einen Namen gemacht. Mit seiner Berufung bewies Goldstein sowohl avantgardistischen Geschmack wie auch ganz einfach Mut.

Nach einer erstaunlich kurzen Bauzeit von nur knapp elf Monaten konnte das Haus auf der Alb am 27. Juli 1930, also in politisch bereits recht turbulenten Zeiten, eingeweiht werden.

Der örtliche Chronist schwärmte und knüpfte gleichzeitig Erwartungen an das Projekt: „[...] ein baulicher Schmuck für unser Tal und, hoffen wir, die Quelle für das weitere rasche Aufblühen unserer Stadt Urach“.

Der württembergische Staatspräsident und Zentrumspolitiker Eugen Bolz – bekanntlich sollte auch er ein Opfer der Nationalsozialisten werden – stellte in seiner Festrede deutlich heraus, wie bitter notwendig die Menschen im Kleinen und Großen den Frieden hätten. Er diagnostizierte eine „Sehnsucht nach Ruhe und Weltfriede[n]“, sah in dem neuen Haus „ein Sinnbild des Friedens, [...] ein Stück Bauwerk am Frieden, und wenn es nur ein kleiner Teil des Wirtschaftsfriedens ist, an dem eine bestimmte Gruppe den Gemeinschaftsgedanken fördert“, so das Sinnzitat des Lokalreporters.

Bolz hatte damit den Tenor der oben bereits behandelten Rede Goldsteins getroffen. Der Bauherr selbst versäumte es im Übrigen natürlich auch nicht, die besonderen Vorzüge seines – für viele Besucheraugen wohl gewöhnungsbedürftigen – „Zweckbaus“, der modernen Bauhaus-Architektur also, nachdrücklich herauszustellen.

„Die Schwere der Aufgabe“ des Architekten habe darin bestanden, so Goldstein, „mit bescheidenen Mitteln das relativ Beste zu schaffen“. Diese Worte dürften in den Ohren eines überwiegend schwäbischen Auditoriums wie Musik geklungen haben.

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Berufsverbot für den engagierten Sozialreformer

Die Machübernahme der Nationalsozialisten besiegelte das Schicksal der DGK und das ihres unermüdlichen Direktors.

Nach wenigen Monaten, am 10. Juni 1933, beschloss das inzwischen bereits teilweise von Nazis durchsetzte Präsidium der Gesellschaft in quasi vorauseilendem Gehorsam, Georg Goldstein seines Postens zu entheben, weil er Jude war.

Im Zuge der „Gleichschaltung“ ab Juli 1933 übernahmen nunmehr von der Deutschen Arbeitsfront (DAF) ernannte Nationalsozialisten das komplette Präsidium sowie das Direktorat der weiter existierenden Gesellschaft. Zahlreiche Häuser der DGK wurden nun als „Kraft-durch-Freude-Heime“ und für die Kinderlandverschickung, später auch als Lazarette und schließlich als Flüchtlingsunterkünfte genutzt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte zwar zunächst die „Reanimation“ der Gesellschaft gelingen, nicht aber die Fortsetzung der Erfolgsgeschichte aus der Ära Goldstein.

Der Verlust der beruflichen Position und Reputation verletzte den zwangsweise in – natürlich unbezahlten – Ruhestand Versetzten sehr. Auch geriet die Familie bald in materielle Existenznöte. Fortgesetzt haben die Goldsteins ihr vielfältiges ehrenamtliches Engagement in diversen Einrichtungen der – auch in Wiesbaden ausgeprägten – jüdischen Wohlfahrtspflege.

Entsprechend seinem Selbstverständnis als demokratischer, dem fortschrittlichen Linksliberalismus nahe stehender deutscher Jude war Georg Goldstein stets auch aktiv im politischen Vereinsleben seiner Wahlheimat Wiesbaden tätig gewesen, unter anderem etwa im Vorstand wie auch als Vorsitzender der Ortsgruppe des Liberalen Judentums.

Ein Überlebender des Holocaust, der Wiesbadener Rabbiner Dr. Paul Lazarus, beschrieb den Weggefährten 1949 in seinen Erinnerungen:

„Ausgestattet mit einem scharfen Verstand und einer umfassenden Sachkenntnis kämpfte er unerschrocken für das Ideal einer auf Gerechtigkeit aufgebauten demokratischen Welt und zugleich für ein lebendiges Judentum. Überall [...] wirkte er unablässig als Vertreter einer Anschauung, die sich die Synthese zwischen Judentum und Deutschtum zum Ziele gesetzt hatte [...].“

Um es mit einer soziologischen Kategorie zu fassen: Georg Goldstein verkörperte in mustergültiger Weise den Typus des assimilierten deutschen Juden in der ausgehenden Wilhelminischen Ära, dem es wohl gerade seine mosaische Glaubensliberalität ermöglichte, sich vollständig mit seinem Heimatland und dessen kulturellen Errungenschaften zu identifizieren.

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Der dritte Teil der Biographie befasst sich mit Goldsteins Projekt Haus auf der Alb und seinem Berufsverbot.

Die folgenden Stationen seines Lebens behandeln die Themen:

Autor: Hans-Peter Kuhnle, Neuffen / Aufbereitung für das Netz: Internetredaktion der LpB

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