Xanti Schawinsky (1904–1979)

Wegbereiter des modernen Design

Herbert Bayer über Xanti Schawinsky:

„Die Plakate von Schawinsky hatten in den 30er Jahren einen starken Einfluß auf die Grafik in Nord-Italien; mit einigen Ausnahmen, vielleicht in Paris, schien die italienische Industrie sensibler und aufgeschlossener gegenüber neuen Ideen als die deutsche Industriewelt.“

 

Xanti Schawinsky gilt als Wegbereiter des modernen Designs. Er gehörte als Schüler zum engsten Bauhaus-Kreis um Walter Gropius (1883–1969). Als Bühnenbildner, experimenteller Fotograf oder Gestalter von Ausstellungsbauten wirkte er erst in Dessau am Bauhaus, dann als Leiter der Grafikabteilung des Magdeburger Hochbauamts. Schließlich lehrte er am progressiven Black Mountain College in North Carolina sowie an der New Yorker Universität.

    1904 wurde Alexander Victor Schawinsky, genannt Xanti, als Sohn einer jüdisch-polnischen Kaufmannsfamilie geboren. Von 1921 bis 1923 erhielt er seinen Neigungen entsprechend eine Ausbildung im Architekturbüro von Theodor Merrill (1891–1978) in Köln, wo erste abstrakte Kompositionen entstanden. Nach einem Besuch der Berliner Kunstgewerbeschule begann er 1924 am Staatlichen Bauhaus Weimar zu studieren. Er hatte Unterricht bei Wassily Kandinsky (1866–1944), Paul Klee (1879–1940), Laszlo Moholy-Nagy (1895–1946) und Walter Gropius. Vor allem prägte ihn die Arbeit der Bühnenbildklasse Oskar Schlemmers (1888–1943). Es galt, handwerklich-technische Aufgaben auszuführen, darstellende Kunst auf die Bühne zu bringen sowie eigene Sketche und tänzerische Pantomimen zu realisieren. Nachdem das Bauhaus nach Dessau umgezogen war, spielte er in der neugegründeten Bauhaus-Kapelle zunächst Banjo, Lotusflöte und schließlich Saxofon. Er trat an zahlreichen Tanzabenden und Festen des Bauhauses auf. Auch präsentierte er mit Oskar Schlemmer und einem Schüler des Vorkurses eine Serenade mit drei Figurinen des Schlemmer’schen „Triadischen Balletts“.

    Xanti Schawinsky erhielt nun auch erste kleine werbegrafische Aufträge und begann mit experimenteller Fotografie.1926 wurde er in den „künstlerischen Beirat“ des Stadttheaters Zwickau berufen und entwarf Bühnenbilder für klassische und moderne Produktionen. Schließlich wurde er Assistent Oskar Schlemmers an der Bühnenabteilung des Dessauer Bauhauses. Er war mit seinen werbegrafischen, fotografischen und malerischen Arbeiten auf mehreren Ausstellungen vertreten und erhielt 1929 die Möglichkeit, als Leiter der Grafikabteilung des Magdeburger Hochbauamtes zu beginnen. In dieser Funktion wurde er mit zahlreichen Gestaltungsaufgaben beauftragt. Er entwarf Prospekte und Plakate und gestaltete Ausstellungen, unter anderem „Fotografie der Gegenwart“ oder „Bauten der Technik“. Nachdem Anfang der 1930er Jahre Angriffe auf Juden und Ausländer zunahmen, gab es auch gegen ihn im öffentlichen Dienst Anfeindungen. 1931 verließ er Magdeburg und zog nach Berlin, wo er als freiberuflicher Grafiker arbeitete und die Kontakte zu Bauhaus-Kollegen aufrechterhielt.
    Nachdem sich die feindseligen politischen Aggressionen verstärkten, das Bauhaus an seinem letzten Standort in Berlin durchsucht, versiegelt und schließlich aufgelöst wurde, verließ er 1933 Deutschland endgültig und flüchtete über die Schweiz nach Italien.

      In Mailand arbeitete er für das jüngst gegründete Werbestudio Boggeri und trug wesentlich zur Reputation des Studios bei. Es entstanden Werbeprodukte für Firmen wie Illy Caffè, Cinzano sowie Plakat und Prospekt für die Schreibmaschine „M40“ von Olivetti. Auch entwarf er ein propagandistisches Plakat zum zwölften Jahrestag der faschistischen Revolution, das Mussolini – dargestellt als Kopf der Masse – zeigt. Nach dem Tod seines Vaters zogen seine Mutter und sein Bruder Arnold nach Mailand. Auch erhielt er dort Besuch von Walter und Ise Gropius (1897–1983). Schawinsky unterstützte den ehemaligen Bauhaus-Direktor dabei, dessen Architekturvorstellungen sowie den Bauhaus-Gedanken in Italien zu verbreiten.

      Nach der Annäherung Italiens ans nationalsozialistische Deutschland wurde für Schawinsky die Situation immer schwieriger. 1936 heiratete er noch in London Irene von Debschitz (1903–1990) und emigrierte schließlich im Herbst in die USA. Durch Vermittlung des ehemaligen Bauhaus-Meisters Josef Albers (1888–1976) konnte er am Black Mountain College in North Carolina unterrichten. Er lehrte Zeichnen, Farbenlehre und leitete die Bühnenklasse, wobei bereits performativ-installative Aspekte berücksichtigt wurden, die die Grundphänomene von Raum, Form, Farbe, Licht, Klang und Musik, Bewegung und Zeit untersuchten. Schon 1937 verließ er das College, um am von László Moholy-Nagy gegründeten New Bauhaus Chicago zu beginnen. Die Institution ging jedoch vor seiner Ankunft Bankrott, sodass er sich in der Nähe von New York niederließ und als Ausstellungs- und Werbegestalter tätig wurde. Für die Weltausstellung 1939 in New York gestaltete er unter anderem mit Walter Gropius und Herbert Bayer (1900–1985) den Pavillon für Pennsylvania. Er wurde nun auch amerikanischer Staatsbürger.

      In den folgenden Jahren unterrichtete er Grafikdesign und Malerei am New York City College, nahm Lehraufträge an der New York University an und zeigte seine Arbeiten in zahlreichen Ausstellungen in Nord- und Südamerika. Ab 1961 fuhr er regelmäßig nach Europa und zeigte seine Arbeiten unter anderem 1968 in der Stuttgarter Ausstellung „50 Jahre Bauhaus“, die dann in weiteren Ländern präsentiert wurde ? eine Ausstellung von kulturpolitischer Bedeutung, da sie dazu beitrug, Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg auf internationaler Ebene erneut als Kulturnation zu etablieren.

      Nach der Scheidung von seiner ersten Frau heiratete er 1963 in New York Gisela Hatzky. Zehn Jahre später wurde der Sohn Daniel geboren. In Oggebbio, auf der italienischen Seite des Lago Maggiore, baute Schawinsky ein Atelierhaus, aus dem drei Jahre vor seinem Tod etwa 250 Werke aus allen Schaffensperioden gestohlen wurden.

      Xanti Schawinsky starb am 11. September 1979 im Alter von 75 Jahren im schweizerischen Locarno.

       


      Anregungen zum Weiterlesen:

      • Blume, Torsten: Xanti Schawinsky und die Bühne, Berlin 2021.
      • Hahn, Peter/Neumann, Eckhard: Xanti Schawinsky. Werke der Amerika-Zeit, Stuttgart 1990.
      • Hahn, Peter/Paul, Barbara: Xanti Schawinsky. Malerei, Bühne, Grafikdesign, Fotografie, Berlin 1986.
      • Krase, Andreas: Xanti Schawinsky. Magdeburg 1929–1931. Fotografien, Dessau 1993.
      • Neumann, Eckhard: Xanti Schawinsky. Foto, Bern 1989.

      Link:


      Filmtipp:

      Xanti Schawinsky vom Bauhaus in die Welt (YouTube)

      Xanti Schawinsky - eine Retrospektive in Magdeburg (YouTube)

      Autorin: Jutta Fischer, Metzingen / Aufbereitung für das Netz: Internetredaktion der LpB

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