Ella Ehni (1875–1952)

Demokratische Weltbürgerin und Vorkämpferin für Frauenrechte

Ella Ehni nahm in den frauenbewegten, bildungspolitischen, kulturellen und sozialen Handlungsfeldern in Stuttgart eine wachsame und engagierte Position ein. Als Stadträtin und Landtagsabgeordnete erlebte sie den kurzen frauenpolitischen Aufbruch der Weimarer Republik und die Anfänge ihres Untergangs. Das nationalsozialistische Verhängnis sah sie schon früh kommen und verlegte deshalb ihren Lebensmittelpunkt 1930 nach Zürich.

Trotz Ella Ehnis zeitgenössischen Stellenwerts geben die wenigen überlieferten biographischen Quellen fast keinen Einblick in ihre Herkunftsfamilie und die Familie ihres Mannes.

Geboren wurde Ella Ehni, geb. Mayer, am 17. März 1875 in Brooklyn (New York) als Kind gebildeter, schwäbisch-liberaler evangelischer Eltern. Ihr Vater war Kaufmann, die Mutter Hausfrau. 1885 kehrte die Familie mit der zehnjährigen Tochter nach Stuttgart zurück. Auch die Familie des Stuttgarter Fabrikantensohnes Gustav Georg Ehni, den Ella als 22-Jährige heiratete, wird als feinsinnig, gebildet und wohltätig beschrieben. Ella Ehnis politisch aktive Zeit begann 1917 nach dem Tod ihres 18-jährigen Sohnes an der nordfranzösischen Kriegsfront. Sein Vater starb im Kummer darüber ein knappes Jahr später.

Ella Ehni übernahm als Kaufmannswitwe – so firmierte sie im Adressbuch und bei Angaben zu ihren politischen Ämtern – zahlreiche, meist ehrenamtliche Aufgaben: Sie war Vorstandsvorsitzende des Verwaltungsrats des 1899 gegründeten ersten württembergischen Mädchengymnasiums in Stuttgart (heute: Hölderlingymnasium). Von 1921 bis 1930 hatte sie den Vorsitz des Verbands Württembergischer Frauenvereine mit damals 34 Mitgliedsverbänden und 28.000 Mitgliedsfrauen inne. In dieser Funktion folgte sie auf Mathilde Planck. Schon während des Ersten Weltkriegs gründete Ella Ehni Suppenküchen und Waisenhäuser. Auch für eine Reform von Frauengefängnissen machte sie sich stark.

Bei den ersten Wahlen, an denen Frauen sich beteiligen durften, wurde Ella Ehni 1919 in den Stuttgarter Gemeinderat gewählt, dem sie bis 1926 angehörte. Zudem wurde sie in den Vorstand der 1919 vom „Nationalen Frauendienst“ gegründeten Stuttgarter Mütterschule berufen. 1920 folgte ihre Wahl in den Landtag des Freien Volksstaats Württemberg. Bis 1924 vertrat sie dort die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP). Waren im Jahr 1919 noch 13 weibliche Abgeordnete in die Verfassunggebende Landesversammlung gewählt worden, sank deren Zahl in der ersten Wahlperiode des Landtags ab 1920 auf fünf. Ella Ehni galt hier als treibende Kraft der Frauen, die auf politische Teilhabe und Mitgestaltung hofften. Mathilde Planck, von 1919 bis 1928 Landtagsabgeordnete für die DDP, stand mit ihr auf fast verlorenem Posten. Die immer stärker werdende Abwertung der Parlamentarierinnen durch die Übermacht ihrer Kollegen ertrug Ella Ehni jedoch nicht so lange wie ihre Parteikollegin. Eine überparteiliche Zusammenarbeit der (im weitesten Sinne) frauenbewegten weiblichen Abgeordneten im Landtag fehlte genauso wie ein inhaltlicher Konsens. Zudem bestand eine frauenpolitische Konkurrenz zwischen DDP und SPD. 1930 zählte der württembergische Landtag nur noch drei weibliche Abgeordnete. Von den Parteien auf aussichtlose Listenplätze verbannt, hatten Frauen kaum noch Chancen auf ein Mandat.

Frauenbildung und -studium waren weitere wichtige Anliegen und politische Handlungsfelder von Ella Ehni. Die bislang nur Jungen vorbehaltene höhere Bildung sollte auch für Mädchen geöffnet werden, um diesen ebenfalls die Möglichkeit zu einer beruflich anspruchsvollen Zukunft zu bieten. Ehni unterstützte die 1912 in einen Neubau in der Stuttgarter Hölderlinstraße umgezogene altsprachlich ausgerichtete „Mädchenoberschule“ neben ihrer Vorstandstätigkeit auch finanziell. So übertrug sie die in der Nähe gelegene „Villa Ehni“ dem Mädchengymnasium. Die damalige „Vorsteherin“ der Schule und erste Oberstudienrätin Württembergs, Leontine Hagmaier, fand dort eine Wohnung, nachdem sie zuvor im vierten Stock des Schulgebäudes untergebracht gewesen war. Angesichts ihrer geringen, dem langen Arbeitsleben von Lehrerinnen keinesfalls angemessenen Rente, genoss Hagmaier diesen Wohnsitz. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Villa zerstört. Ella Ehni lebte nach dem Umzug in die Hölderlinstraße ebenfalls in der Nähe des Gymnasiums.

Auf mehreren weltumspannenden Reisen in den 1920er Jahren versuchte Ella Ehni, für eine friedliche Welt zu werben. Bei einem Besuch in New York entschloss sie sich, ihre amerikanische Staatsangehörigkeit zu erneuern. Der US-Pass erleichterte ihr 1930 den Umzug in die Schweiz und hat sie wohl auch vor antisemitischen Angriffen geschützt – nicht selten war vermutet worden, sie sei jüdischer Herkunft. In Zürich unterstützte Ella Ehni bis zu
ihrem Lebensende Flüchtlinge und hilfsbedürftige junge Menschen.

Am 28. Januar 1952 starb Ella Ehni im Alter von 76 Jahren in Zürich.

Bestattet wurde sie im imposanten, heute denkmalgeschützten Familiengrab auf dem Stuttgarter Waldfriedhof neben Sohn und Ehemann – am Ort ihrer steingewordenen Trauer. Ein Nachruf in der Stuttgarter Zeitung würdigte sie als vorurteilslose, charaktervoll und in ruhiger Entschiedenheit objektiv handelnde, fein gebildete Frau.


Download der Kurzbiographie (PDF)

Anregungen zum Weiterlesen:

  • HOCHREUTHER, Ina: Ella Ehni, in: DIES. (Hrsg.): Frauen im Parlament. Südwestdeutsche Parlamentarierinnen von 1919 bis heute, hrsg. vom Landtag von Baden-Württemberg, 3. Aufl., Stuttgart 2012, S. 76.

  • RIEPL-SCHMIDT, Mascha: Die ersten 40 Jahre des Hölderlin-Gymnasiums, in: 100 Jahre Hölderlin-Gymnasium Stuttgart, hrsg. vom Hölderlin-Gymnasium, Stuttgart 1999, S. 21–47.

     

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