Eugen Gerstenmaier (1906–1986)

Theologe im Kirchenkampf und Bundestagspräsident

Als engagierter Studentensprecher im beginnenden Kirchenkampf, als Mitglied des Kreisauer Kreises im Kampf gegen den Nationalsozialismus und als langjähriger Bundestagspräsident leistete Eugen Gerstenmaier einen mutigen Beitrag zum Protest gegen die Gleichschaltung der Kirchen im „Dritten Reich“. Er unterstützte den Widerstand gegen das NS-Regime und prägte die Entwicklung der jungen Bundesrepublik in exponierter Position.

Eugen Gerstenmaier wurde am 25. August 1906 in Kirchheim unter Teck am Rand der Schwäbischen Alb geboren. Nach der Realschule begann er eine kaufmännische Ausbildung und war in der protestantischen Jugendbewegung aktiv. Nachdem er die Hochschulreife nachgeholt hatte, absolvierte er ein Studium der Philosophie, Germanistik und Evangelischen Theologie in Tübingen, Rostock und Zürich, das er mit dem Doktortitel abschloss. Als Nationalprotestant war er bis 1930 Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei, doch als sich die Partei unter Alfred Hugenberg immer mehr der völkisch-nationalsozialistischen Bewegung annäherte, trat er aus.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten protestierte er wiederholt gegen staatliche Übergriffe in den Raum der Kirche. Im Herbst 1933 wurde er deswegen für kurze Zeit verhaftet. Bereits im Sommer 1933 hatte Gerstenmaier Kontakt zu Martin Niemöller aufgenommen und im Pfarrernotbund mitgearbeitet. Er wurde zwar 1937 noch als Theologe habilitiert, erhielt aber keine staatliche Lehrerlaubnis.

Seit 1939 hatte Eugen Gerstenmaier Kontakt zu Männern und Frauen, die später die Widerstandsgruppe des Kreisauer Kreises bilden sollten. 1940 war er an der Planung eines Attentats auf Hitler beteiligt, das aber nicht durchgeführt werden konnte. Die Arbeit im Kreisauer Kreis verdichtete sich ab 1942. Mit Gleichgesinnten plante er eine Neuordnung der politischen und sozialen Verhältnisse auf der Grundlage christlich-humanistischer Überzeugungen. Unter intensiver Nutzung der Kontakte und Freiheiten, die ihm seine gleichzeitige Mitarbeit im Kirchlichen Außenamt eröffnete – 1942 wurde er dort als Konsistorialrat fest angestellt –, fungierte er als ein Bindeglied des Widerstandes. Gerstenmaier unterstützte den gescheiterten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944. Er war im Bendlerblock in Berlin anwesend, wurde verhaftet, aber im Januar 1945 als einer der wenigen Verschwörer nicht zum Tode, sondern zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt.

Bereits im Gefängnis hatte Eugen Gerstenmaier Pläne für ein gesamtdeutsches Hilfswerk für die Nachkriegszeit ausgearbeitet. Das daraus entstehende Evangelische Hilfswerk leitete er von Sommer 1945 bis 1951. 1949 wurde Gerstenmaier Mitglied der CDU, für die er von 1949 bis 1969 den Wahlkreis Backnang im Bundestag vertrat. Von 1956 bis 1966 war er darüber hinaus stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. Als profilierter Außenpolitiker sprach sich Gerstenmaier vor allem für die Westbindung und für die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik aus. 1954 wurde er zum Bundestagspräsidenten gewählt. Bis 1969 bekleidete und prägte er dieses Amt, trat jedoch zurück, nachdem er wegen der Inanspruchnahme von Wiedergutmachungsleistungen in die öffentliche Kritik geraten war.

Eugen Gerstenmaier starb am 13. März 1986 im Alter von 79 Jahren in Oberwinter bei Remagen.


Download der Kurzbiographie (PDF)

Anregungen zum Weiterlesen:

  • GAUS, Günter: Der christliche Staatsmann ist kein Missionar. Eugen Gerstenmaier, in: Zur Person. Porträts in Frage und Antwort, München 1964, S. 117–139.
  • GERSTENMAIER, Eugen: Streit und Friede hat seine Zeit. Ein Lebensbericht, Franfurt/M. 1981.
  • GERSTENMAIER, Eugen: Die Kirche und die Schöpfung. Eine theologische Besinnung zu dem Dienst der Kirche an der Welt, Berlin 1938.
  • GNISS, Daniela: Eugen Gerstenmaier (1906–1986), in: Reinhold WEBER/Ines MAYER (Hrsg.): Politische Köpfe aus Südwestdeutschland, Stuttgart 2005,
    S. 288–298.
  • GNISS, Daniela: Der Politiker Eugen Gerstenmeier 1906–1986. Eine Biographie, Düsseldorf 2005.

Filmtipps:

„Eugen Gerstenmaier: Zwei Leben" – Zeitzeugeninterview

Eugen Gerstenmaier Zwei Leben - Dokumentarfilm (YouTube)

 

Eugen Gerstenmaier, Bonn - Bad Godesberg 1961

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